Das Böse lebt. Der folgende Artikel stammt von Samira Neuhaus, veröffentlicht im Spiegel.
KINDERSEXMAFIA IN KAMBODSCHA
Verkauft von den eigenen Eltern
In Kambodscha blüht das Sex-Geschäft – vor allem mit Kindern. Sie werden verkauft, verschleppt und vergewaltigt. Auch die sechsjährige Srey wurde ein Jahr lang zur Prostitution gezwungen. Nun ist sie der Sexmafia entkommen.
Hamburg – Monatelang durchlebte Srey die Hölle auf Erden: Das Mädchen wurde gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten und von Zuhältern und Sextouristen missbraucht. Oft wurde sie auch mit Drogen gefügig gemacht. Srey hatte keine Freunde, keine Familie. Sie war einfach nur ein winziger Teil des riesigen Sex-Geschäftes in Kambodscha. Nun wurde die Sechsjährige gerettet. Gerettet aus einem Leben als Sexsklavin.
Das Leben von Srey steht stellvertretend für unzählige Schicksale junger Kinder und Frauen, die in Kambodscha zur Prostitution gezwungen werden. Wie der Nachrichtensender CNN berichtet, wurde Srey mit fünf Jahren von ihren Eltern an ein Bordell verkauft. Wie viel Geld die Eltern für ihre Tochter bekommen haben, ist unbekannt: Die Preise, die die Menschenhändler für Kinder zahlen, reichen von umgerechnet 8 bis 80 Euro.
Schätzungsweise 30 Prozent der Kinder, die ihren Körper in Kambodscha verkaufen müssen, sind zwischen 14 und 17 Jahren alt, einige sogar so jung wie Srey. Meistens sind es Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden. Sie bekommen für Geschlechtsverkehr oft nur einen Euro. Manche Männer zahlen auch 500 Euro – für eine Woche.
Es gibt kaum lukrative Jobs für Frauen
Obwohl Prostitution in Kambodscha verboten ist, haben sich die großen Städte wie Phnom Penh zu einem Mekka für Sextouristen und Pädophile entwickelt. Das Geschäft mit dem Körper boomt, vor allem seit in Thailand die Kontrollen gegen Kinderprostitution verschärft wurden. Viele Einheimische müssen mit umgerechnet 50 Cent am Tag überleben, für unzählige Frauen scheint der Weg in die Prostitution deshalb ein lukratives Geschäft zu sein. Einmal darin gefangen, gibt es kaum ein Entrinnen.
Srey hatte Glück: Nach fast einem Jahr hatte ihr Leben als Sexsklavin ein Ende. Wie CNN berichtet, wurde das Mädchen nun von Somaly Mam gerettet. Die 37-Jährige kämpft gegen Kinderprostitution und bietet Opfern aus dem Sex-Gewerbe Schutz und Obdach. Bei ihr bekommen die Kinder und Frauen eine Schulbildung, lernen Nähen und Weben.
Mam kennt das Schicksal ihrer Schützlinge gut: Im Alter von zehn Jahren wurde sie einem Mann anvertraut, dem sie als Haussklavin diente. Zwei Jahre später wurde sie von ihm zu einem chinesischen Kaufmann geschickt, der das Mädchen vergewaltigte. Mit 14 oder 15 Jahren wurde sie dann mit einem zwölf Jahre älteren Mann verheiratet. Der misshandelte und vergewaltigte sie. Als er plötzlich untertauchte, wurde das Mädchen an ein Bordell verkauft.
Mit Hilfe eines Franzosen, der sich in sie verliebte und den sie später heiratete, gelang es ihr 1992, sich aus dem Bordell zu befreien. 1996 gründete sie die internationale Organisation AFESIP (Agir pur les femmes en situation précaire), die gegen Menschenhandel und Kinderprostitution in Asien kämpft.
130.000 Menschen in Kambodscha sind HIV-positiv
Die meisten der Kinder sind nach ihrer Befreiung schwer traumatisiert: „Viele haben bei ihrer Ankunft psychologische Probleme, sehr große Probleme. Und sie wurden nie von Menschen und von ihren Eltern geliebt“, wird Mam von CNN zitiert. Ein junges Mädchen in ihrem Heim sei besonders krank: Sie war zwei Jahre lang in einer Kiste eingesperrt und wurde regelmäßig vergewaltigt. Für professionelle Hilfe fehlt das Geld.
Auch an Schutz vor Krankheiten denkt in dem schmutzigen Geschäft kaum jemand. Nur wenige Männer würden Kondome benutzen, erzählt Mam. Manche bevorzugen Kinder, weil sie die Ansteckungsgefahr mit HIV geringer einschätzen. Die Seuche greift rasant um sich, nirgendwo in Südostasien ist die Rate der HIV-Infizierten höher als in Kambodscha. Informationen von Unicef zufolge leben mehr als 130.000 Menschen in dem Zwölf-Millionen-Volk mit dem Virus, 59.000 davon sind Frauen ab 15 Jahren.
Srey konnte der Sexmafia entkommen. Aber die Sechsjährige trägt nicht nur schwere seelische Schäden davon: Auch sie ist HIV-positiv.