Monatsarchiv: Januar 2012

Salzabbau oberhalb Muttenz

Alter Bohrturm der RheinsalineDass es in der Regio Basel unterirdische Salzvorkommen gibt, wissen viele. Die  abgebildeten alten Böhrtürme der Rheinsalinen sind charakteristisch in der Rheinebene bei Pratteln. Die Salzvorkommen erstrecken sich aber auch weit über die Rheinebene hinaus bis in den Baselbieter Jura hinein. Die Rheinsalinen erschliessen seit diesem Winter zusätzliche Salzvorkommen  oberhalb von Muttenz im Gebiet Zinggibrunn/Eigental/Sulz.  In den Gemeinden Gempen und Lupsingen sind zudem Probebohrungen bis auf 650m Tiefe geplant. Die Rheinsalinen schliessen ein Erdbebenrisiko gemäss Presseberichten aus.

Deutlich sichtbar sind die Arbeiten im Gebiet „Zinggibrunn“. Es handelt sich hier nicht um Probebohrungen, sondern um Produktionsbohrungen in 400m Tiefe. Denn in diesem Gebiet erstreckt sich unter der Erde ein Salzrücken von rund fünzig Metern Mächtigkeit, den die Rheinsalinen abbauen wollen. Jetzt wird „Zinggibrunn“ 2. Etappe realisiert, bis im 2013 soll der Soleförderprozess in Produktion gehen.

Viele Geschichten des Reichtums und der Macht ranken sich um das Salz, das „Weisse Gold“. Auf den alten Handelsstrassen wurde es über weite Distanzen transportiert wie Silber, Bernstein, Seide oder Gewürze. Nur für edle oder besonders begehrte Waren wurden die Beschwernisse hingenommen, die ein solcher Transport mit sich brachte. Als am 30. Mai 1836 beim Muttenzer Rothaus an der Grenze zu Pratteln grosse Vorkommen genau dieses Guts entdeckt wurden, bedeutete das für den Kanton Basel-Landschaft und die ganze Schweiz einen Einschnitt. Baselland war in dieser Sache fortan nicht mehr von der Stadt abhängig, was eine lange Kette von Auseinandersetzungen beendete. Dem jungen Kanton wurden grosse finanzielle Einnahmen beschert, die er dringend brauchen konnte, und wesentliche Impulse zur Industrialisierung gegeben. Und der Kanton verfügte nun über einen gesamtschweizerisch benötigten Rohstoff, der bisher hauptsächlich aus dem Ausland importiert werden musste. Carl Christian Friedrich Glenck, ein deutscher Bergbaufachmann, hat bei Muttenz nach Salz gegraben. Die erste Saline, Schweizer Hall genannt – Hall ist ein altes Wort für Salzwerk –, später Schweizerhalle, wurde eingerichtet. Mit den Gewinnen aus dem Salzverkauf konnte der Kanton BL rund 60 Jahre lang die Staatsausgaben decken. 1909 schlossen sich Schweizerhalle und die später in Kaiseraugst, Riburg und
Rheinfelden entstandenen Salinen zu den Vereinigten Schweizerischen
Rheinsalinen AG zusammen. Seit den 1970er Jahren wird auch weiter südlich von Schweizerhalle nach Salz gebohrt. So zum Beispiel im Gebiet Laahallen, Wartenberg, Zinggibrunn oder Sulz in Muttenz. Dort liegt das Salz in bis zu 400 m Tiefe, während es im Rheintal aus rund 150 m gewonnen werden kann. Da das
Steinsalz von anderen Gesteinen durchsetzt ist, wird es nicht bergmännisch
abgebaut, sondern ausgesolt. Von seiner grauen Farbe, die das Steinsalz in der Erde annimmt, leitet sich denn auch der Name Salz ab: sal ist ein indoeuropäisches Wort für ‚trübe’ oder ‚schmutzig’.

Die Rheinsalinen sind ein Unternehmen aus der Pionierzeit der Industrie. Die Salzgewinnung in der Regio geht zurück auf 1837: Salz war eine der zentralen Ressourcen der chemischen Industrie im Raume Basel und ebenso die Grundlage für die Badekultur in der Stadt Rheinfelden AG und in andern Solbädern der Schweiz. Das Salz am Rhein beendete die jahrhundertelange Abhängigkeit vom Ausland und gab den damals jungen Kantonen Basel-Landschaft und Aargau die finanzielle Startbasis für den Aufbau. Aus vier sich konkurrenzierenden privaten Salinen entstand 1909 ein einziges Unternehmen, das heute in Schweizerhalle BL und Riburg AG insgesamt pro Jahr 400’000 – 500’000 Tonnen Salz gewinnt. Die Schweizer Rheinsalinen sind heute im Besitz der Kantone (ohne Waadt), des Fürstentums Liechtenstein und der Südsalz GmbH Heilbronn, Deutschland. Im Konkordatsvertrag von 1973 regelten die Kantone den Salzverkauf. Sie garantierten damit die Versorgung aller Regionen mit Salz zu günstigen und einheitlichen Preisen. Die Transportdistanz zu den Kunden ist kurz und der Abbau mit der Laugentechnik ist verhältnismässig unkompliziert. Das

Salzabbau Schema

Prinzip: Die Salzschicht des Ur-Meeres wird angebohrt, mit Wasser aufgelöst und diese Salzlösung (Sole) in der Saline wieder eingedampft. Zurück bleibt reines Salz, getrennt von Wasser, Gips und Kalk.

Früher wurde die Salzlösung (Sole) in grossen Pfannen eingekocht (gesotten). Das so gewonnene Salz bezeichnete man deshalb als Koch- und Siedesalz. Diese traditionellen Begriffe haben sich bis heute gehalten. Kochsalz hat also seinen Namen nicht, weil wir es zum Kochen benutzen, sondern weil es durch Kochen gewonnen wird.

Flurnamen

Auch interessant, wenn wir gerade bei den Namen sind: Bei den  neu zu erschliessenden Abbaugebiete beim Zinggibrunnen  gibt es Flurnamen wie Sulzhof, Sulz, Sulzchopf, Obersulz. Das ist natürlich kein Zufall. Das Wort
Sulz ist eine Ableitung von Salz; es kann auch sulzigen, sumpfigen
oder verschmutzten Boden benennen. Da jedoch in den frühesten Quellen
ein Salzbrunnen in genau diesem Gelände belegt ist, sind die Namen sehr wahrscheinlich auf diesen zurückzuführen.

Salzgewinnung im Detail

Das Salz wird aus Steinsalzschichten in Tiefen bis 400 Meter mit zugeführtem Wasser ausgelaugt. Die konzentrierte Salzlösung fliesst in Pipelines zum Sammeltank des Bohrfeldes und von da zur Saline zur Enthärtung und zum Kristallisationsprozess in die Verdampferanlage.

Für die Sole-Laugung und Sole-Förderung werden die Sondierbohrlöcher erweitert und verrohrt, d.h., es werden drei konzentrische Rohre abgesenkt und fixiert. Das innerste Rohr leitet die gesättigte Sole nach oben ab, das zweite führt Frischwasser von oben zu und das äusserste dieser Rohre führt Stickstoff, der als Schutzgas gegen die schnelle Auslaugung zwischen das oben liegende Salz und das einströmende Frischwasser gepresst wird. Ein Netz unterirdischer Sole-, Wasser- und Schutzgasleitungen durchzieht die Bohrfelder kilometerweit, überwindet dabei Höhenunterschiede bis zu 400 Meter und läuft in unterirdischen Pumpstationen zusammen. Die Sole läuft in den Sammeltank des Bohrfeldes und wird hier als bereits wasserklare Flüssigkeit erstmals sichtbar.

Im Sammeltank der Saline strömt die Roh-Sole der Bohrfelder zusammen bevor sie in die Reaktortanks der Soleenthärtungsanlage gepumpt wird. In der gesättigten Rohsole sind, nebst 310 g reinem Kochsalz, je Liter noch 6–8 g Kalzium- und Magnesiumsalze gelöst. Diese Nebensalze würden die Heizkammern der Verdampfer mit einem steinharten Belag rasch verkrusten und damit die Leistung der Anlage drastisch vermindern. Die Nebensalze werden daher ausgefällt, d.h. die Rohsole dadurch enthärtet. Dies geschieht in zwei Phasen, durch Zugaben von Kalk, Soda und Kohlensäure. Dabei fällt hauptsächlich Gips als Rückstand an, der verpresst und in stillgelegte Kavernen gepumpt wird.

Heizdampf von 140 Grad bringt die Sole im Verdampfer zum Kochen. Der sich bildende Dampf, nun Brüdendampf genannt, wird oben abgeführt. Das Salz kristallisiert laufend aus und sammelt sich als nasser Brei am unteren Ende des Verdampfers an. In der Saline Schweizerhalle sind 6 Verdampfer in Betrieb. Sie sind über 20 m hoch und haben ein Volumen von je 100 Kubikmetern. Die Gesamtanlage funktioniert nach dem Prinzip der mechanischen Dampfverdichtung. Der Brüdendampf wird gewaschen, Kompressoren zugeleitet, dort verdichtet und dabei wieder auf 140 Grad erhitzt und so als Heizdampf erneut genutzt. Dank diesem Verfahren benötigt man heute zur Salzproduktion fünfzehnmal weniger Heizenergie als früher.

Von den Verdampfern wird der nasse Salzbrei auf die Zentrifugen geleitet. Die Masse wird bei hoher Drehzahl geschleudert, Wasser und Salz werden so getrennt. 2 % Wasser bleiben als Restfeuchte im Salz. Das Salz erscheint jetzt erstmals leuchtend weiss und rein wie frischer Pulverschnee. Der Fliessbetttrockner ermöglicht mit seinem heissen Luftstrom einen weiteren Trocknungsschritt, der praktisch auch noch das letzte Wasser vertreibt. Auf 100 kg Salz bleiben nur noch ein paar wenige Milliliter Wasser zurück.

Erdbeben wegen Salzgewinnung?

Also noch mehr weisses Gold. Nur eben der Preis des Salz-Abbaus ist beim Zinggibrunn grösser, da auf 400m Tiefe gebohrt werden muss. In der Rheinebene befinden sich die Salzvorkommen auf nur 150m. Entsprechend grösser ist das Risiko. Ich denke nicht zuletzt an die Möglichkeit, durch das Eingreifen auf 400m Tiefe unerwartete Erdbeben auszulösen. Bei den Geothermie Bohrungen im 2006 in Kleinhünningen, die nach mehreren Erdbeben (bis Stärke 3.4) definitiv eingestellt wurden, hatten die Betreiber die Erdbebengefahr bis zuletzt unterschätzt. Gut die Bohrungen in Kleinhünningen wurden im 2006 bis auf 5km Tiefe vorgetrieben, bei den Salzabbaubohrungen bei Muttenz (Zinggibrunn/Sulz) sind wir ’nur‘ bei 400m. Bisher war im Zusammenhang mit der Salzgewinnung am Rheinknie nie von einer Erdbebengefahr die Rede. Hoffen wir, dass es auch in Zukunft keinen Anlass gibt, das Thema Erdbeben und Salzgewinnung zu vertiefen.

Zur Illustration einige Fotos der Bohrstelle im Wald bei der Ewigkeitsstrasse. Die Strasse ist kaum noch passierbar. Richtung Egglisgraben wurde eine Lärmschutzwand errichtet. Eifriges Treiben im sonst so idyllischen Wald beim Sulzchopf.

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